Archiv - Die ZEIT veröffentlichte 1957 über Herta Hammerbacher ein Frauenporträt
Professor Herta Hammerbacher Die ZEIT, 12.09.1957 Nr. 37
Anm.:Anlässlich der INTERBAU-Ausstellung am Hansaviertel in Berlin 1957 wurde die
Öffentlichkeit nun auf die 56jährige Herta Hammerbacher als einzige Frau des Interbauteams
aufmerksam. Die renommierte Wochenzeitung „Die ZEIT“ veröffentlichte ein halbseitiges
Frauenpoträt. Im Archiv des ZEITONLINEs kann man den digitalisierten Artikel
nachlesen. Leider. Nicht nur beim Abtippen sind viele Fehler entstanden, schon
damals in der Zeitung wurde „Herta“ Hammerbacher als „Berta“ Hammerbacher
falsch bezeichnet. Peinlich, wenn man an das Renommee dieser seriösen Zeitung
denkt .Ich habe nur die gröbsten Tippfehler korrigiert. Beim Lesen der Lektüre
ist mir mehrmals ein Schmunzeln über die Lippen gegangen. Man versuchte diese
resolute Frau, die wenig später den Kosenamen „General“ erhielt, in die Nähe
der ‚zarten Blüte‘ zuzuordnen. Es macht Spaß, die Zeit aus der Zeit zu lesen.
Viel Vergnügen!
Herta
Hammerbacher, a o. Professor an der Technischen Universität Berlin
Charlottenburg, ist Garten- und Landschaftsarchitektin. Ihr Beruf vereint zwei
sich anscheinend widerstrebende Wunschbereiche unserer Existenz. Während der
Mensch einerseits die Herberge als Schutz gegen Wetter braucht, bedarf er doch
gleichzeitig zu seiner Erquickung der Natur, die sich im Garten kultiviert
seinen vier Wänden anpasst. Professor Herta Hammerbacher, deren Vater Ingenieur
und Brückenbauer war, deren Mutter in enger Beziehung zum Bayerischen Hof und
seiner landschaftlichen Kultur aufwuchs, fühlt sich durch die Mischung von
Technik und Natur veranlagungsgemäß für ihren Beruf vorbestimmt.
Es drängte die
Heranwachsende, wie ihr Vater Ingenieur zu werden. Die kluge Mutter aber
betrachtet sich die langaufgeschossene blonde Tochter und bedenkt fürsorglich, dass
es für ein Großstadtmädchen, zumal am Ende des ersten Weltkrieges, wohl ratsam
wäre, eine Gartenbauschule in der Nähe von Augsburg zu besuchen, auf diese
Weise die praktische Ausbildung mit dem Nahrhaften zu verbinden und
gleichzeitig den poetischen Sinn der Tochter durch die kräftige Schönheit von
Busch und Baum, Blume und Gras zu bilden. Der mütterliche Rat erwies sich als
richtig, und noch heute erfreut sich Herta Hammerbacher in der Erinnerung an
das tätige Verbundensein mit der Natur, zu dem anstrengende Arbeit genauso
gehörte wie Lerchengesang am Morgen, das Reifen von Frucht und Korn. Ihr
naturverbundener Sinn wird ebenso befriedigt wie die ordnende Begabung von Vaters
Seite her: in diesem Beruf erkennt also die Gartenbauschülerin ihre Berufung.
Nach Augsburg
folgt die Lehre in den Kaiserlichen Gärten in Potsdam Sanssouci, wo sie — noch
vor 1918 — Zierpflanzenbau, Orchideen und Chrysanthemen Zucht, die
Obsttreiberei in den Gewächshäusern — besonders von belgischen Trauben und
Pfirsichen —, aber auch die freie Pflanzung im Park handwerklich studiert.
Freilich genügt ihr das nur Praktische bald nicht mehr. Ihr nach tieferer
Befriedigung strebendes Wesen verlangt — angeregt durch die künstlerische
Gartengestaltung in Sanssouci — immer mehr auch nach theoretischer Betrachtung
und Lehre. Ihr kam dabei eine Nebenbegabung für Zeichnen und Photographie zu
Hilfe, und sie begann auf dem Papier festzuhalten, was dem Auge mit der vergehenden
Blüte, mit dem welkenden Blatt an Schönheit entging.
Frau Hammerbacher
bestand 1926 nach dem Besuch von Lehr- und Gartenbauanstalten ihr Examen als
staatlich geprüfte Gartenbautechnikerin. Gleichzeitig hatte sie an der
Hochschule für bildende Künste Übungen und Vorlesungen belegt und sich durch.
Kurse auch zeichnerisch weitergebildet, also ein anstrengendes Doppelstudium
absolviert, was jedoch ihrer starken, vielseitigen Persönlichkeit erst die
volle Erfüllung bedeutete. Von Wichtigkeit war es für Professor Hammerbacher, dass
sie zwei Jahre an der damals größten Baumschule Europas, bei der Firma Spaeth
in Berlin, als Gartenbautechnikerin angestellt war und von dort aus bereits
selbständig Aufträge des Auslandes erfolgreich ausführte. Einen entscheidenden
Abschnitt in ihrer Entwicklung bedeutete es, dass sie Gärten und Parks in Prag
anzulegen hatte und auch dort wieder gartenhistorische Studien, diesmal über
die Barockzeit, trieb, die für ihre eigene Arbeit wertvoll wurden. Bis heute
aber fühlt sie sich besonders angezogen von Peter Joseph Lenné", der zur Schinkelzeit am Anfang des
19. Jahrhunderts maßgeblich für die organische Gestaltung der Berliner
Landschaft war. Von 1928 bis 1948 arbeitete sie schon mit eigener Praxis in
Gemeinschaft mit Karl Förster, dem Blumenzauberer der Mark. Im Zusammenwirken
mit diesem ungewöhnlichen Pflanzenforscher begann sich das aus ihrer
süddeutschen Heimat stammende Gefühl für den Landschaftsgarten freier zu
entwickeln, das für sie charakteristisch blieb und ihr damals schon einen Namen
als neuzeitliche Gartengestalterin und damit die ersten bedeutenden
Privataufträge einbrachte. Nach dem Zusammenbrach, in der Epoche des sozialen
Wohnungsbaues, der neuerstehenden Schulen, Krankenhäuser wendet sich ihr
schöpferisches Interesse den für den jetzigen Zeitabschnitt spezifischen
Aufgaben zu. Sie beteiligte sich an der Gartenschau in Stuttgart 1950, in
Kassel 1955, in Köln 1957. Eine ihr sehr liebe Aufgabe war die Anlage des
Krankenhausgartens in Marl, Westfalen, und der Schulgärten im Rheinland. Heute
ist ihr der bedeutsame Auftrag erteilt worden, den mittleren Bereich des
Hansaviertels, dessen Werden auf der Berliner Interbau zu beobachten ist,
zusammen mit dem schwedischen Gartenarchitekten Jacobson auszuführen. Die
künstlerische Eigenart der Collega, wie sie von den anderen Professoren der
Technischen Universität angeredet wird, ist eine Bodenformung als
architektonische Grundlage für die gärtnerische Anlage „Ich kann eine Ebene
einfach nicht lassen, wie Meist", gesteht sie lächelnd. Ob sie den
Pausenplatz einer Schule entwirft oder den dazugehörigen blumenreichen
Lehrgarten, der dem Biologieunterricht dient, ob sie den offenen Vorgarten für
ein Privathaus mit schönem Mosaikweg und breiter blumengeschmückter Angehfläche
versieht, oder ob eine öffentliche Parkanlage mit üppig blühenden
Polsterpflanzen entstehen soll, immer modelliert sie durch leichte Hügelung und
künstliche Mulden zuerst den Böden, so dass eine landschaftliche Plastizität
entsteht, die die Zusammenhänge zum Bau stärker herausholt und Raumgebilde
schafft. Diese Modellierung erstreckt sich bis in die Blumen- und
Pflanzenflächen hinein, wo aus dem Grundpolster wie aus einem Kollektiv sich
einzelne Gräser und Blumen eigenwillig erheben. Es ergibt sich bei solcher Gartengestaltung
ein Landschaftsbild im kleinen, wie wir es allgemein nur in der Weite der
Landschaften gewohnt sind. Die Verbindung von Stein und Pflanze, von Haus und
Garten, von Stadt und Grünanlage sind für Frau Professor Hammerbacher, die mit
ihrem sicheren, ausholenden Gang an einen Sämann erinnert, so naturnotwendig, dass
sie in ihren Gedanken und Vorstellungen schon in der gründurchwirkten Stadt der
Zukunft beheimatet ist, die zu verwirklichen sie mit Stadtplanern von morgen
Hand in Hand arbeitet. Ilse Langner
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